
Vor 80 Jahren erschossen NS-Anhänger in Lüneburg während eines Bombenangriffs 80 KZ-Häftlinge. Schüler näherten sich dem Grauen der Vergangenheit mit der Kraft ihrer Fantasie. Ein besonderes Kunstobjekt.
Lüneburg. Eingeschweißt in eine Plastikfolie schimmelt ein Brot. Nägel liegen auf alten Landkarten. Ebenfalls eingeschweißt und aufgehängt an Fahnenmasten: der lederne Behälter eines Fernglases aus den 40er-Jahren, eine Kennkarte mit Hakenkreuz und ein Judenstern. Die Schritte panisch Fliehender waren zu hören. Eine „ungewöhnliche Ausstellung“ wurde am Donnerstagnachmittag vor dem Reichsbahn-Waggon im Wandrahmpark gezeigt, wie Martin Meier-Schütze betonte, Schulleiter der IGS Lüneburg.
Es waren Schüler des 11. Jahrgangs seiner Schule, die mit ihrem Projekt an das Kriegsende vor 80 Jahren in Lüneburg erinnerten. Und vor allem an das Kriegsverbrechen, das hier am 11. April 1945 verübt wurde. 80 KZ-Häftlinge, die zuvor aus einem von alliierten Bombern angegriffenen Zug geflohen waren, wurden damals von ihren Bewachern erschossen.
Realem Grauen mit Fantasie genähert
Im Kunst-, Musik- und Gesellschaftslehreunterricht näherten sich die jungen Menschen mit der Kraft ihrer Fantasie dem realen Grauen der Vergangenheit. Sie erfanden Schicksale von Flüchtlingen, versetzten sich in deren Lage, ersannen denkbare Erinnerungsstücke an verfolgte und ausgelöschte Leben.
Mit einer Klanginstallation gelang es ihnen, an diesem sonnigen, friedlichen Nachmittag eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. In Sichtweite des Reichsbahnwaggons, der symbolisch für die Verschleppung und Vernichtung der Opfer des Nationalsozialismus steht, wie Museumsleiterin Professorin Heike Düselder sagte, hörte man Flugzeug- oder Hubschraubermotoren. Dann Schritte, die schneller wurden. Bilder schutzlos ausgelieferter Ukrainer oder Palästinenser drängten sich auf.
Ein seltsames Gefühl in Lüneburgs Straßen
Der innovative Zugang sei ein „guter Schritt, um Erinnerungskultur zu festigen“, fand Schulleiter Meier-Schütze. Anmerkungen, die die Schüler in ihre Kunstwerke einschweißten, scheinen dies zu bestätigen. So schrieb die Elftklässlerin Daneah: „Es ist seltsam, durch Lüneburgs Straßen zu gehen und zu wissen, was hier während des Zweiten Weltkriegs passiert ist.“
Eine Schülerin bekannte am Mikrofon, dass sie wegen des Projekts viel mit ihrem Opa gesprochen habe, was die „Geschichte sehr lebendig machte“.
Geschockt von Lüneburgs dunkelsten Stunden
Hannes schrieb, dass sein Vater ihm zwar viel von der NS-Geschichte erzählt habe. „Aber ich wusste nicht, dass das in Lüneburg passierte.“
Ebenso Madita, die zwar schon das ehemalige KZ Theresienstadt besichtigt hatte, aber nun „geschockt“, sei, dass sie nichts von den Vorgängen in Lüneburg gewusst habe.
Der Rückblick auf Lüneburgs dunkelste Stunden hat bei Elftklässler Luka einen Wunsch ausgelöst: „Bitte, lasst uns diese Taten nicht wiederholen.“
LZ/WA
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